Zehn Jahre Bachelor und Master in Deutschland – eine Bilanz












1999 beschlossen 30 europäische Staaten im italienischen Bologna die Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen, um europaweit einheitliche Standards in die akademische Lehre zu bringen und die Mobilität von Studierenden und wissenschaftlichem Personal zu erhöhen. Wie sehen Studierende, Lehrpersonal und Wirtschaft die Entwicklung zehn Jahre nach dem Startschuss der Bologna-Reform?

Im Zuge des Bologna-Prozesses führte Deutschland die größte Hochschulreform seit Jahrzehnten durch. Die bisherigen Abschlüsse wie Magister und Diplom wurden nach und nach durch Bachelor und Master ersetzt. So wurden zum Wintersemester 2011/2012 85 Prozent aller Studiengänge auf die neue Studienstruktur umgestellt. In der Regel umfasst der Bachelor sechs bis acht Semester. Er kann durch einen zwei bis vier Semester dauernden Master ergänzt werden. Diese Studienstruktur soll das Studium überschaubarer machen und die Studienzeit verkürzen. Vor allem aber sollen Abschlüsse international vergleichbarer werden, um die Mobilität von Studenten und wissenschaftlichem Personal zu erhöhen und die Anerkennung akademischer Grade in Europa länderübergreifend zu erleichtern.

Wirtschaft und Studierende kritisierten zunächst Bologna-Reform


Zu Beginn der Bologna-Reform gab es viel Kritik von allen Seiten: Die Wirtschaft tat sich schwer mit der Bewertung und Anerkennung von Bachelor und Master. Eine Sorge war, dass das Wegfallen des international anerkannten Diplom-Ingenieurs im Ausland eher zu Schwierigkeiten bei der Anerkennung akademischer Grade führe. Und das könne die Mobilität sogar noch gefährden.

Die Studierenden beklagten, dass Bachelor und Master zu verschult seien und die straffen Studienpläne keinen Blick über den Tellerrand der gewählten Fächer mehr zuließen. Kritik war auch, dass den Studierenden kein Raum mehr für die persönliche Entwicklung bliebe, da die Universität zunehmend zu einer Berufsqualifizierungs-Anstalt entwickle - neben Praktika, Lernpunkte-Sammeln und notwendigen Nebenjobs. Ein weiterer Kritikpunkt war die große Anzahl an Prüfungen, Klausuren und Hausarbeiten zum Ende eines jeden Semesters. Diese Kritik an der Bologna-Reform erreichte 2009 ihren vorläufigen Höhepunkt.

Bachelor und Master: Die Bilanz der Bologna-Reform nach zehn Jahren


Die Proteste wurden gehört und an vielen Stellen ist nachgebessert worden. So hat die Kultusministerkonferenz (KMK) die Vorgaben zur Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen modifiziert. Auch die Ruhr-Universität Bochum, die bereits seit Mitte der 1990er-Jahre Modellstudiengänge im Bachelor-Master-System anbietet, hat ihre Studiengänge gemeinsam mit den Studierenden evaluiert und weiter verbessert. Susanne Lippold, Referentin der Prorektorin für Lehre der Ruhr-Uni Bochum, erklärt: „In der langen Perspektive fällt die Bilanz positiv aus. Mehr Studierende schaffen ihren Abschluss. Meines Erachtens hilft die Strukturierung dabei. Ich würde wirklich sagen, wir haben eine Strukturierung und keine Verschulung erreicht, und wir haben sehr zufriedene Studierende.“

Auch aus der Wirtschaft kommen – nach anfänglichen Zweifeln über das Fachwissen und die Reife besonders der Bachelor-Absolventen – positive Stimmen. Helge Kroll, Leiter der Abteilung Hochschulmarketing bei Thyssen Krupp in Essen, zieht ein positives Fazit: „Die Leistungs- und Gestaltungsmotivation (der Bachelor- und Master-Absolventen, Anm. der Redaktion) ist hoch. Kriterien wie Flexibilität und Mobilität erleben wir als sehr ausgeprägt. Hinsichtlich der eigenen Selbstreflexion im Sinne von Lernfähigkeit würden wir uns hingegen noch eine größere Portion persönlicher Reife wünschen.“

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